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Aktuelle Rechtsprechung des Sozialgerichts Stuttgart

Datum: 07.08.2013

Kurzbeschreibung: Das Sozialgericht Stuttgart hat einen Auszug seiner Rechtsprechung der letzten Monate zusammengestellt. Die Sammlung enthält Fälle aus nahezu allen Rechtsgebieten der Sozialgerichtsbarkeit.

Auszug der aktuellen Rechtsprechung

des Sozialgerichts Stuttgart

(Stand: Juli 2013)

I. Gesetzliche Unfallversicherung

1. Das Erleben eines Blitzeinschlags während der Arbeit auf dem Rollfeld eines Flugplatzes in einer Entfernung von ca. 150 Metern mit der Folge eines Schocks und einer posttraumatischen Belastungsstörung kann einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall darstellen (Urteil vom 15.05.2013, S 21 U 233/09; nicht rechtskräftig, Berufung der Beklagten beim LSG anhängig).

Der Kläger war Flugzeugabfertiger auf dem Stuttgarter Flughafen und mit der Fäkalienentsorgung an einem Flugzeug auf dem Rollfeld beschäftigt, als in einer Entfernung von ca. 150 Metern ein Blitz in einen Mast einschlug und unter erheblicher Geräuschentwicklung Gesteinsbrocken aus dem Beton gelöst und durch die Luft geschleudert wurden. Der Kläger erlitt nach den ärztlichen Feststellungen einen Schock und entwickelte in der Folge Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Kammer hat entschieden, dass dieses Ereignis einen Arbeitsunfall darstellt, der als psychischen Gesundheitserstschaden einen Schock und in der weiteren Folge eine Posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger hervorgerufen hat. Dem Kläger wurde eine Verletztenrente zugesprochen.

2. In bestimmtem Branchen herrschende Gepflogenheiten (hier: Gebrauchtfahrzeughandel), die von den Geschäftspraktiken anderer Branchen teilweise erheblich abweichen, rechtfertigen nicht pauschal die Annahme, dass Angaben aus diesem Milieu nicht glaubhaft sind. Vielmehr sind entsprechende Angaben für den Einzelfall zu überprüfen.

Der Nachweis einer spontanen Besichtigung eines Fahrzeugs samt Probefahrt an einem Feiertag mit nicht Deutsch sprechenden Anbietern von Gebrauchtfahrzeugen ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil nach den Regelungen des Landesfeiertagsgesetzes ein Ladengeschäft an diesem Tag (hier: Dreikönigstag) an sich geschlossen haben müsste.

Angaben einer Lebensabschnittsgefährtin eines Gebrauchtfahrzeughändlers zu einem Geschehensablauf sind nicht per se unglaubhaft, auch dann nicht, wenn diese sich später wegen des Lebenswandels ihres Partners von diesem abwendet. Es gelten vielmehr die allgemeinen Regeln zur Beweiswürdigung des Zeugenbeweises, wenn diese Person zur Aussage bereit ist (Urteil vom 28.02.2012, S 13 U 6546/10; rechtskräftig).

3.  Ein Arbeitsunfall muss bewiesen sein. Wer erst mehrere Jahre später den Unfall bei der Berufsgenossenschaft meldet, ist beweispflichtig. Wenn dann der Klagevortrag in sich widersprüchlich ist, kann ein Arbeitsunfall nicht anerkannt werden (Gerichtsbescheid  vom 02.05.2013, S 6 U 4856/11).

Der frühere Arbeitgeber der Klägerin hatte auf deren Veranlassung im Februar 2010 eine Unfallanzeige erstattet, der zufolge die Klägerin nach eigenen Angaben am 28.01.2008 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Im Verlauf des Verfahrens erklärte die Klägerin mehrfach, am Unfalltag nicht beim Arzt gewesen zu sein. Bereits aus der Verwaltungsakte ging jedoch ein Arztbesuch am 28.01.2008 hervor, und zuletzt war die Klägerin selbst der Ansicht, dass der Unfall nicht am 28.01.2008 geschehen sei.

Die gegen die Ablehnung der Feststellung eines Arbeitsunfalles und auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

4. Ein Rentner, der für einen Jagdpächter nach dessen Vorgaben und unter dessen Aufsicht mehrere Hochsitze gebaut hat, steht als „Quasi-Beschäftigter“ unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (Urteil vom 19.06.2013,  S 6 U 2479/10).

Nach dem beim Hochsitzbau erlittenen tödlichen Unfall  des Rentners klagte dessen Witwe auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Das Sozialgericht Stuttgart gab der Klage statt und hob die entgegenstehenden Bescheide der Berufsgenossenschaft auf. Die Witwe kann nun Hinterbliebenenleistungen von der BG verlangen.

II. Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“)

1. Die Übernahme von Tilgungsraten für eine Eigentumswohnung im Rahmen des § 22 Abs. 6 SGB II ist grundsätzlich ausgeschlossen, da die Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt sind und nicht der Vermögensbildung dienen. Eine Übernahme ist nur ausnahmsweise dann angezeigt, wenn es um den Erhalt von Wohnungseigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezuges von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist. Sie scheidet jedoch jedenfalls dann aus, wenn sich der Kläger bereits bei Erwerb der Immobilie in Leistungsbezug befand (Urteil vom 26.04.2013, S 17 AS 2459/12).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, begehrte der Kläger die Übernahme der Tilgungsraten für seine Eigentumswohnung. Bereits bei Erwerb der Eigentumswohnung bezog er Arbeitslosenhilfe.

2. Vom Vorliegen einer Ausnahmesituation, bei der Tilgungszahlungen für ein fremdfinanziertes Eigenheim als Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 SGB II vom Leistungsträger übernommen werden können, sofern die Finanzierung weitgehend abgeschlossen ist und der Aspekt der Vermögensmehrung daher in den Hintergrund tritt, kann jedenfalls bei einem Restschuldbetrag von 24.231,95 Euro, welcher nach dem maßgeblichen Tilgungsplan noch auf viele Jahre hinweg zu tilgen sein wird, nicht ausgegangen werden (Urteil vom 24.06.2013, S 24 AS 364/13).   

Die Kläger begehrten gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II die Berücksichtigung eines von ihnen monatlich zu leistenden Tilgungsbetrags für den Erwerb einer Eigentumswohnung in Höhe von monatlich 96,50 Euro. Die von den Klägern zu dritt bewohnte 80 qm große Eigentumswohnung wurde von diesen im Jahr 1996 zu einem Kaufpreis von seinerzeit 386.000,00 DM (197.358,67 Euro) erworben. Hiervon wurden 130.000,00 DM durch vorhandenes Eigenkapital entrichtet, der Restbetrag wurde fremdfinanziert. Nach einer Umschuldung der Darlehenssumme beträgt die Restdarlehensschuld nunmehr insgesamt 24.135,45 Euro.

Zuletzt  konnten die Kläger eine Reduzierung der monatlichen Schuldverpflichtungen dahingehend erreichen, dass seit dem 01.12.2012 ein monatlicher Betrag von insgesamt 150,00 Euro zu entrichten ist. Hiervon stellen 53,50 Euro Zinszahlungen dar, sodass sich der monatliche - und im Klageverfahren als Kosten der Unterkunft geltend gemachte - Tilgungsbetrag auf nunmehr 96,50 Euro beläuft.

Seit dem 01.06.2011 beziehen die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Hierbei wurden ihnen im Rahmen der Kosten der Unterkunft neben den monatlichen Betriebskosten stets nur die Zinszahlungen bewilligt. Eine Berücksichtigung der monatlichen Tilgungsraten wurde unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung abgelehnt, die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

3.  Ein Ausländer, der sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableitet, ist nicht von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen, wenn er vom Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) erfasst wird.

Es bestehen Zweifel, ob der von der Bundesregierung erst mit Wirkung zum 19.12.2011 und ohne Zustimmungsgesetz erklärte Vorbehalt gegen die Anwendung des EFA auf die Leistungen nach dem SGB II die Staatsangehörigen der Signatarstaaten wirksam vom Leistungsbezug ausschließt.

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob dieser Vorbehalt im Einklang mit dem Wiener Vertragsrechtsübereinkommen steht, wonach ein Vorbehalt nicht angebracht werden darf, wenn er mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist (Beschluss vom 30.07.2012, S 24 AS 3916/12 ER)

Die Antragstellerin griechischer Nationalität begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die zuletzt erfolgte Bewilligung wurde vom Antragsgegner mit der Begründung aufgehoben, die Antragstellerin könne keine Leistungen beanspruchen, weil sie sich lediglich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik aufhalte und somit nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei.

Die Antragstellerin berief sich darauf, dass die vom Antragsgegner herangezogene Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II  keine Anwendung finde, weil sie sich auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) berufen könne.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass das EFA dem Leistungsausschluss insbesondere nicht (mehr) entgegenstehen könne, da die Bundesrepublik Deutschland am 19.12.2011 einen Vorbehalt „wegen Arbeitssuche“ eingefügt habe.

Das Gericht hat den Antragsgegner wegen bestehender Zweifel an der Wirksamkeit des Vorbehalts zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet.

4.  Die Eingliederungsvereinbarung bzw. der diese ersetzende Verwaltungsakt muss auferlegte Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen hinreichend konkretisieren. Bleibt der Umfang von Mitwirkungspflichten völlig unklar, ist der Eingliederungsverwaltungsakt mangels Bestimmtheit rechtswidrig (Beschluss vom 03.04.2013, S 25 AS 1682/13 ER)

Zwischen den Beteiligten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war die Rechtmäßigkeit des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts im Streit, den der Antragsgegner für die Dauer vom 01.03.2013 bis 11.11.2013 erließ und in der er die Antragstellerin u.a. zur Teilnahme an einer Maßnahme sowie zur „aktiven Mitarbeit bei Bemühungen, das Potential in Bezug auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu nutzen“, zur „aktiven Mitwirkung bei allen auf die berufliche Eingliederung abzielenden Leistungen“ und zur „aktiven Mitwirkung bis zum Ende der Zuweisungsdauer am 11.11.2013“ verpflichtete.

Der Eilantrag der Antragstellerin hatte Erfolg, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage wurde angeordnet. Neben den Bedenken hinsichtlich dessen Geltungsdauer hielt das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt mangels hinreichender Bestimmtheit für rechtswidrig: Solle in der Eingliederungsvereinbarung eine verbindliche Regelung getroffen werden, sei wegen der Bestimmtheitsanforderungen eine genaue Beschreibung der Maßnahme zwingend, insbesondere wenn mit den vereinbarten Leistungen Teilnahme- oder Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen verbunden seien. Die Eingliederungsvereinbarung bzw. der sie ersetzende Verwaltungsakt müsse so konkrete und verbindliche Aussagen zu den Pflichten des Hilfebedürftigen enthalten, dass dieser erkennen könne, welche Handlungen oder Unterlassungen Sanktionen auslösen könnten. Diesen Bestimmtheitsanforderungen habe der angegriffene Bescheid des Antragsgegners nicht genügt, weil der Umfang von Mitwirkungspflichten hier völlig unklar geblieben sei.


5. Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II während eines Hochschulstudiums besteht auch dann nicht, wenn durch das Jobcenter bereits während der ersten zwei Semester Leistungen erbracht worden sind (Beschluss vom 13.02.2013, S 18 AS 459/13 ER).


Der Antragsteller studiert seit Herbst 2011, BAföG erhält er aufgrund seines Alters nicht. Vom Jobcenter war dem Antragsteller trotz Kenntnis vom Studium während der ersten zwei Semester Arbeitslosengeld II bewilligt worden. Den Weiterbewilligungsantrag ab November 2012 lehnte das Jobcenter ab. Mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrte der Antragsteller die Verpflichtung des Jobcenters zur weiteren Leistungsgewährung. Das Gericht hat den Antrag abgelehnt, weil der Antragsteller aufgrund des Studiums von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei und er sich auch nicht auf das Vorliegen einer besonderen Härte berufen könne.

6. Keine Übernahme von Stromschulden bei missbräuchlichem Verhalten des Hilfebedürftigen  (Beschluss vom 02.05.2013, S 15 AS 2104/13 ER)

Der Antragsteller bezieht seit Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Antragsgegnerin.

Bereits am 27.05.2011 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Darlehen zur Begleichung von Stromschulden bei der EnBW in Höhe von 542,35 Euro. Nach der Übernahme dieser Stromschulden erfolgte mit Einverständnis des Antragstellers eine Direktzahlung der laufenden Stromkosten durch die Antragsgegnerin an die EnBW. In der Folge wechselte der Antragsteller mehrfach den Stromanbieter. Trotz Aufforderungen zur Mitwirkungen durch die Antragsgegenerin wurden die Wechsel durch den Antragsteller nicht bzw. verspätet mitgeteilt.  Abschlagszahlungen leistete der Antragteller nicht.

Das Gericht lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Eine darlehensweise Übernahme komme dann nicht in Betracht, wenn den Schulden ein missbräuchliches Verhalten des Hilfebedürftigen zugrunde liege. Dies sei im Regelfall zu bejahen, wenn er seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leiste und sein Verhalten darauf schließen lasse, dass er auf eine darlehensweise Übernahme entstehender Schulden durch den Leistungsträger vertraut oder gar spekuliert habe. In einem solchen Fall werde die Notlage gezielt zu Lasten des Leistungsträgers herbeigeführt. Dies könne jedoch nicht hingenommen werden.

 

7. Kein Anspruch auf Leistungen für die Einlagerung von Möbeln, wenn der aktuelle Wohnraum zwar so klein ist, dass er zur angemessenen Unterbringung von persönlichen Gegenständen des Leistungsberechtigten nicht ausreicht, die Möbel jedoch bereits zwei Jahre eingelagert wurden, ein Ende der Möbeleinlagerung nicht in Sicht ist und weder ein Nachweis über den Wert der eingelagerten Gegenstände noch über deren Zustand erbracht werden kann (Urteil vom 15.05.2013, S 12 AS 5865/10).

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Übernahme der Einlagerungskosten für Möbel und persönliche Gegenstände. Die Klägerin, die ihre alte Wohnung aufgeben musste, zog in die vollmöblierte Wohnung eines Familienangehörigen, in die sie ihre Möbel und weitere persönliche Gegenstände nicht mitnehmen konnte. Die Kosten für die Möbeleinlagerung in einem Container wurden durch den Beklagten ca. 2 Jahre in Höhe von insgesamt rund 4.000 EUR übernommen. Die Beteiligten stritten über die Kostentragung für die Übernahme von Einlagerungskosten für weitere 3 Jahre.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, eine Übernahme der Kosten für die Einlagerung von vorübergehend nicht benötigtem Hausrat und persönlichen Gegenständen komme zwar im Rahmen der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung als Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) grundsätzlich in Betracht, wenn der aktuelle Wohnraum so klein sei, dass er zur angemessenen Unterbringung von persönlichen Gegenständen des Leistungsberechtigten nicht ausreiche. Eine Übernahme der Kosten scheitere aber daran, dass die Klägerin keine Nachweise über die eingelagerten Möbel, deren Wert und aktuellen Zustand erbracht habe, es sich bei einer Zeitspanne von ca. 2 Jahren nicht mehr um „vorübergehend nicht benötigten Hausrat“ handele und die Klägerin im Übrigen für einen Teil des streitigen Zeitraums mangels Vorlage entsprechender Rechnungen nicht nachgewiesen habe, dass überhaupt Kosten für die Möbeleinlagerung entstanden seien.

8. Bargeldzuwendungen von Familienangehörigen, die dazu dienen sollen, den Lebensstand des SGB II-Empfängers anzuheben und dem eines Durchschnittsverdieners anzupassen, sind keine zweckbestimmte Einnahme. Sie sind als Einkommen anzurechnen. Ein Darlehen unter Familienangehörigen ist nicht anzunehmen, wenn weder die Darlehenshöhe noch die Rückzahlungsmodalitäten feststehen (Urteil vom 20.06.2013, S 7 AS 1516/09)

Gegenstand des Verfahrens war eine Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II wegen erheblicher Bargeldzuwendungen der Mutter der Klägerin.

9. Der fehlende Zugang zu einem Drucker stellt keinen wichtigen Grund dar, der in einer Eingliederungsvereinbarung niedergelegten Pflicht zur Bewerbung auf vier Stellen monatlich nicht nachzukommen (Gerichtsbescheid vom 30.11.2012, S 14 AS 738/12).

Gegenstand des Rechtsstreits war die Absenkung der vom Kläger bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für drei Monate, weil der Kläger seiner in einer mit dem beklagten Jobcenter abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung niedergelegten Pflicht, sich monatlich auf mindestens vier Stellen zu bewerben und dies  gegenüber dem Jobcenter nachzuweisen, nicht nachgekommen war. Der Kläger hatte sich darauf berufen, keinen funktionsfähigen Drucker und kein Geld für einen neuen Drucker oder die Nutzung eines Copyshops zu haben.

Das Gericht hat die Klage gegen den Absenkungsbescheid mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger die Bewerbungen auch persönlich, telefonisch, handschriftlich oder per E-Mail habe vornehmen können.

III. Schwerbehindertenrecht

1. Eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 Ermäßigung der Rundfunkbeitragspflicht wegen des Unvermögens, aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, kommt nur dann in Betracht, wenn der Betroffene wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch solcher Veranstaltungen ausgeschlossen ist.  Eine Harn- bzw. Stuhlinkontinenz, die für den Betroffenen das Tragen von Windelhosen erforderlich macht, hat keinen solchen allgemeinen Ausschluss von der Teilnahme an Veranstaltungen zur Folge (Urteil vom 08.05.2013, S 2 SB 5412711).

Der 1932 geborene Kläger, bei dem das Versorgungsamt 1992 einen GdB von 80 unter Berücksichtigung von neurologischen und psychischen Auffälligkeiten sowie Halswirbelsäulenbeschwerden festgestellt hatte, beantragte im Mai 2011 die Zuerkennung des Merkzeichens RF und legte ärztliche Atteste vor, wonach er bei öffentlichen Veranstaltungen in einen psycho-physischen Erschöpfungszustand mit Atembeklemmung gerate. Mit seiner gegen den Ablehnungsbescheid erhobenen Klage machte der Kläger zudem Inkontinenz geltend.

Das Gericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Voraussetzungen für  eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 Ermäßigung der Rundfunkbeitragspflicht nicht vorlägen, da der Kläger nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen sei, da ihm das Tragen von Windelhosen zumutbar sei und dadurch sowie durch psychiatrische Behandlung auch den durch die Inkontinenz ausgelösten Ängsten vor dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen begegnet werden könne.

IV. Gesetzliche Krankenversicherung

                1. Die stationäre Wiederaufnahme im Zusammenhang mit einer unmittelbar vorangegangenen Chemotherapiebehandlung vor Inkrafttreten der Regelung des § 2 Abs. 3 S. 2 FPV 2008 rechtfertigt eine Fallzusammenführung nicht.

                Bereits bei der erstmaligen Einführung der Rechtsvorschrift für die Fallzusammenführung im Jahr 2004 ging der Gesetzgeber davon aus, dass eine Fallzusammenführung bei der Behandlung von Krebspatienten nicht in Betracht kommt.

Mit der ergänzenden Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 FVP 2008 hat der Gesetzgeber lediglich klargestellt, dass ein finanzieller Fehlanreiz für die Krankenhäuser im Rahmen onkologischer Behandlungen aufgrund der unvermeidbaren Nebenwirkungen von Chemo­therapien und Strahlentherapien keine Wirkung entfalten kann und somit die Krankenhäuser un­billigerweise durch Fallzusammenführungen benachteiligt würden. Die Neuregelung greift nur die bereits seit 2004 bestehende Überzeugung des Gesetzgebers zu Ausnahmen der Fallzusammen­führung auf (Urteil vom 16.04.2013, S 9 KR 7352/11).

Die Beteiligten, ein Krankenhaus und eine Krankenkasse, stritten über die Möglichkeit der Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 3 Fallpauschalenverordnung 2007 bei mehreren stationären Behandlungen einer Patientin mit onkologischer Erkrankung mit der Folge, dass für den zweiten stationären Aufenthalt kein gesonderter Vergütungsanspruch entstanden wäre. Im streitigen Fall wurde die Patientin 2 Tage stationär mit einer Chemotherapie behandelt. Am Tag nach der Entlassung wurde eine stationäre Wiederaufnahme aufgrund chemotherapieindizierten Erbrechens (unvermeidbare behandlungsbedingte Komplikation/Nebenwirkung) notwendig.

Seit Inkrafttreten der Fallpauschalenverordnung 2008 ist durch § 2 Abs. 3 S. 3 FPV  klargestellt, dass eine Fallzusammenführung bei unvermeidbaren Nebenwirkungen von Chemotherapien und Strahlentherapien im Rahmen onkologischer Behandlungen ausscheidet. Strittig war jedoch der Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Regelung in der Fallpauschalenverordnung. Bis zuletzt in der FPV 2007 war dieser Anwendungsausschluss nicht ausdrücklich normiert.

Das Gericht hat die beklagte  Krankenkasse zur Zahlung verurteilt.

                2. Die Voraussetzungen des OPS-Code 5‑829.d (OPS-Version 2006) werden entweder durch die Implantation oder den Wechsel von modularen Endoprothesen bei knöcherner Defektsituation mit Gelenk‑ und/oder Knochen(teil)ersatz oder aber durch die Implantation oder den Wechsel von individuell angefertigten Implantaten erfüllt.

                Der OPS-Code 5-829.d verlangt bei der Implantation oder dem Wechsel von individuell angefertigten Implantaten (vorliegend der Aldinger-Prothese) nicht das Vorliegen einer knöchernen Defektsituation (Urteil vom 16.04.2013, S 9 KR 950/11).

Die Beteiligten, ein Krankenhaus und eine Krankenkasse, stritten über die Abrechenbarkeit des Zusatzentgelts ZE 2006-25 (Modulare Endoprothesen) auf Grundlage des OPS 5-829.d bei der Implantation einer zementfreien individuellen Hüft-Totalendoprothese (sog. Aldinger-Prothese) bei einem bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten. Die Krankenkasse wurde vom Gericht zur Zahlung des Zusatzentgelts verurteilt.

V. Arbeitslosenversicherung

1. Auch  wer sich gegen eine durch seinen Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung zur Wehr setzt, muss sich den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung stellen, wenn er bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Kündigung Arbeitslosengeld erhalten möchte. Fehlt es an der subjektiven Verfügbarkeit, fehlt es für einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz schon am Rechtsschutzbedürfnis, da dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um von der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld zu erhalten, denn er muss dieser lediglich seine Verfügbarkeit mitteilen.

Für Zeiträume, die vor dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz liegen, fehlt es in der Regel an einer Eilbedürftigkeit und damit einem Anordnungsgrund (Beschluss vom 23.11.2012, S 18 AL 5990/12 ER).

Dem Antragsteller war vom Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt worden. Dagegen wandte er sich mit einer Kündigungsschutzklage an das Arbeitsgericht. Bei der Bundesagentur für Arbeit beantragte er Arbeitslosengeld. Diese gewährte ihm zunächst vorläufig Arbeitslosengeld, setzte den Leistungsbetrag für die ersten zwölf Wochen jedoch auf 0,00 EUR fest, da noch geprüft werden müsse, ob in dieser Zeit eine Sperrzeit eingetreten ist. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid zeigte sich der Antragsteller verwundert über einen durch die Bundesagentur für Arbeit während der vorläufig berücksichtigten Sperrzeit unterbreiteten Vermittlungsvorschlag. Er berief sich darauf, bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens kein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber eingehen zu dürfen, da dies seine Bemühungen um den Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes zunichtemachen würde. Die Bundesagentur für Arbeit teilte dem Antragsteller daraufhin mit, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld voraussetze, dass er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe, was nur der Fall sei, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt werden könne. Da er vortragen habe, dass er mangels Abschlusses des Kündigungsschutzverfahrens kein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber begründen könne, erfülle er die Voraussetzungen für den Arbeitslosengeldbezug nicht. Im weiteren Verlauf hob die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitslosengeldbewilligung aus diesem Grund wieder auf. Mit dem im November 2012 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrte der Antragsteller die Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab Juni 2012. Zur Begründung machte er geltend, dass er arbeitslos sei, da er vorübergehend nicht in einem mindestens 15 Stunden wöchentlich in Anspruch nehmenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Er bemühe sich auch, seine Beschäftigungslosigkeit gerichtlich mittels des Kündigungsschutzverfahrens zu beenden. Im Übrigen dürfe die Bundesagentur während der Verhängung einer Sperrzeit keine Vermittlungsbemühungen anstellen, welche zum einen sein bisheriges Arbeitsverhältnis gefährdeten und ihn zum anderen im Obsiegensfalle vor dem Arbeitsgericht in die Situation einer Doppelbeschäftigung hineinzwängten.

Das Gericht hat den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller könne auf einfachste Weise die Gewährung von Arbeitslosengeld durch die Bundesagentur für Arbeit herbeiführen, indem er dieser seiner Bereitschaft erkläre, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufzunehmen, weshalb es für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Soweit Leistungen für die Zeit vor Antragsstellung bei Gericht beansprucht würden, fehle es im Übrigen auch an einem Anordnungsgrund, da durch den einstweiligen Rechtsschutz nur gegenwärtige Notlagen beseitigt werden sollten.

2. Die Stunden, die ein Student für die Erstellung einer Masterthesis benötigt, sind als Arbeitszeit anzusehen, sofern er die Masterthesis im Rahmen eines Arbeitsvertrages als unternehmensbezogene Arbeit erstellt. Wenn die Arbeitszeit die Grenze von 15 Wochenstunden überschreitet, liegt keine Arbeitslosigkeit mehr vor (Urteil vom 25.06.2010, S 21 AL 6650/11; nicht rechtskräftig).

Der Arbeitslosgengeld I beziehende Kläger war Student und vereinbarte mit einer Firma, die für sein Masterstudium erforderliche Masterthesis als unternehmensbezogene Arbeit über ein mit der Firma vereinbartes Thema zu schreiben. Dafür erhielt er eine pauschale Vergütung, die Erkenntnisse seiner Masterthesis wurden dann im Unternehmen verwendet. Dabei benötigte der Kläger nach einem von ihm selbst erstellten Tätigkeitsbericht durchschnittlich mehr als 15 Stunden pro Woche. Als die beklagte Arbeitsagentur davon Kenntnis erlangte, forderte sie das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum zurück.

Dagegen erhob der Kläger Klage. Die Kammer hat die Klage abgewiesen, da die vom Kläger benötigte Zeit zur Erstellung seiner Masterthesis vollumfänglich Arbeitszeit sei und der Kläger die Grenze von 15 Wochenstunden damit überschritten habe. Daher sei der Kläger nicht mehr arbeitslos gewesen und habe auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt.

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3.§ 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX umfasst auch die Kosten einer Reparatur (Urteil vom 21.02.2013, S 15 AL 1035/11 - Berufung anhängig)

Die am 29.10.1986 geborene Klägerin leidet unter einer Spina bifida und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Für ihre Ausbildung zur Finanzassistentin bei der LBBW in Stuttgart bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.2007 im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 97 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen höhenverstellbaren Rollstuhl. Die Übernahme von Reparaturkosten für den Rollstuhl wurde jedoch abgelehnt. Hiergegen richtete sich die Klage.

Nach Auffassung des Gerichts sind Reparaturen an Hilfsmitteln, die nach § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX gewährt wurden, ebenfalls zu übernehmen. Bereits der Wortlaut des § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX lasse  diese Auslegung zu, da er lediglich von Kosten des Hilfsmittels spreche und keine Einschränkung auf die Anschaffungskosten vornehme. Zudem legten auch Sinn und Zweck der Vorschrift eine entsprechende Auslegung nahe. Denn primäres Ziel der Teilhabeleistung, wie in § 33 Abs. 1 SGB IX und § 97 Abs. 1 SGB III beschrieben, sei die Erlangung der vollen Erwerbsfähigkeit und dadurch die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer (§§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 10 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Teilhabe am Arbeitsleben ziele auf die dauerhafte Eingliederung in das Arbeitsleben, d.h. bezahlte Erwerbsarbeit oder selbständige Tätigkeit ab. Dauerhaft eingegliedert seien behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erst, wenn sie ihre Arbeitskraft wirtschaftlich verwerten  und auf diese Weise ihren Lebensunterhalt sicherstellen könnten, ohne auf die Hilfe Dritter (Sozialleistungsträger) angewiesen zu sein.

Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Diese wurde von Seiten der Beklagten auch eingelegt.

4. Wird für die Aufnahme einer selbständigen Vollzeittätigkeit ein Gründungszuschuss gewährt, die Tätigkeit jedoch erst über einen Monat nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges aufgenommen und nur in geringem Umfang ausgeübt, ohne dass nennenswerte Einnahmen erzielt werden oder überhaupt eine auf Gewinnerzielung gerichtete Vollzeittätigkeit vorliegt, kann die Bewilligung des Gründungszuschusses aufgehoben und die Leistung zurückgefordert werden (Urteil vom 25.10. 2012, S 7 AL 9504/09).

Die Klägerin hatte einen Gründungszuschuss erhalten, die Tätigkeit aber erst verspätet aufgenommen, Monate hauptsächlich mit Vorbereitungshandlungen verbracht und keinen nennenswerten Einnahmen erziel. Daraufhin hat die Beklagte die Bewilligung aufgehoben und die Erstattung der Leistungen verfügt. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

5. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Agentur für Arbeit im Rahmen der Ermessensentscheidung über einen Anspruch auf Gründungszuschuss nach § 93 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) den Anspruch unter Bezugnahme auf den Vermittlungsvorrang (§ 4 SGB III) ablehnt, sofern nachvollziehbar dargelegt wird, dass auf dem Arbeitsmarkt verfügbare Stellen vorhanden sind (Urteil vom  31.01.2013, S 5 AL 3966/12)

Der Kläger, ein Friseurmeister, beantragte bei der Agentur für Arbeit für die Eröffnung eines Friseursalons die Gewährung eines Gründungszuschusses. Dies lehnte die Beklagte ab. Zur Begründung stützte sie sich auf den in § 4 Abs. 2 SGB III vorgeschriebenen Vermittlungsvorrang und legte durch Vorlage im örtlichen Bereich der zuständigen Agentur für Arbeit aktuell vorliegender Stellenangebote dar, dass allein dort zehn freie Stellen für Friseure und fünf Stellen für Friseurmeister gemeldet waren.  

Das Gericht hat die Klage abgewiesen.  Nach der seit 01.04.2012 neu gefassten Regelung des § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Dabei handelt es sich um eine sog. Ermessensentscheidung, die das Gericht nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüfen kann. Vorliegend durfte die Agentur für Arbeit nach Auffassung des Gerichts den Gründungszuschuss wegen des gesetzlich festgeschriebenen Vermittlungsvorrangs (§ 4 SGB III) ablehnen. Denn nach § 4 Abs. 1 und 2 SGB III habe die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit; dieser Vermittlungsvorrang gelte auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung sei für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Der begehrte Gründungszuschuss gehöre zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, d. h. auch in Bezug auf diesen gehe bereits die gesetzliche Regelung von einem Vermittlungsvorrang aus. Ein solcher Vermittlungsvorrang habe hier bestanden, da auf dem Arbeitsmarkt ausreichend Stellenangebote für Friseure bzw. Friseurmeister vorhanden gewesen seien.

6. Auch während der Dauer eines Kündigungsschutzverfahrens muss ein Arbeitsloser den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erhalten (Urteil vom 15.02.2013,  S 5 AL 4769/12)

Der Kläger beantragte bei der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld, nachdem er von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt worden war. Gegen die Kündigung erhob er Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Die Agentur für Arbeit bewilligte zunächst vorläufig Arbeitslosengeld. Weiter übersandte sie dem Kläger ein Stellenangebot, verbunden mit der Aufforderung, sich dort zu bewerben. Dies lehnte der Kläger unter Hinweis darauf ab, dass er während des Kündigungsschutzverfahrens kein anderes Arbeitsverhältnis eingehen dürfe. Auch weigerte er sich, an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung teilzunehmen. Daraufhin hob die Agentur für Arbeit die Bewilligung des Arbeitslosengeldes auf, weil der Kläger den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stehe. Das Gericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen.

Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld ist u. a. das Vorliegen von Arbeitslosigkeit (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III). Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III auch voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer

1.   eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,

2.   Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,

3.   bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und

4.   bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Eine Ausnahme während der Dauer einer Kündigungsschutzklage sieht die gesetzliche Regelung nicht vor. Da der Kläger vorliegend weder bereit war, eine Beschäftigung aufzunehmen, noch an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen, sah das Gericht die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld als nicht gegeben an.

7. Bei Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne des Artikel 69 Absatz 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 hat die Bundesagentur für Arbeit unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die Rückkehrfrist verlängert werden kann. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitssuchende den Höchstzeitraum von drei Monaten unabhängig von der Arbeitsmarktlage des Aufenthaltsstaates ausschöpfen darf (Urteil vom 10.10.2012, S 4 AL 2012/10; rechtskräftig).

Der Kläger hatte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich bei Fortzahlung des Arbeitslosengeldes zur Arbeitssuche in einen anderen Mitgliedsstaat der EU zu begeben, und war nach Erhalt einer dafür am 02.10.2008 ausgestellten Bescheinigung durch die beklagte Bundesagentur für Arbeit nach Italien ausgereist. Am 22.01.2009 meldete er sich bei der Beklagten zurück. Diese lehnte die weitere Gewährung von Arbeitslosengeld ab, weil der Kläger die maximale Auslandsaufenthaltsdauer von drei Monaten überschritten habe.

Das Gericht hat auf Grund der nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit vom 29.12.2008 bis 21.01.2009 das Vorliegen eines Ausnahmefalles angenommen, für den die EWG-VO die Möglichkeit der Fristverlängerung vorsieht, das der Beklagten dabei eingeräumte Ermessen als auf Null reduziert angesehen und die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld verurteilt.

VI. Gesetzliche Rentenversicherung

1. Das Studium prägt nicht mehr das Erscheinungsbild eines Studenten, der im 26. Fachsemester studiert, relativ zu Beginn des Studiums für sich entschieden hat, pro Semester nur eine Prüfung ablegen zu wollen und im Rahmen einer vertraglich vereinbarten 20-Stunden-Woche gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist, auch wenn er seinem Arbeitgeber die Lage der zu leistenden Arbeitsstunden in der Regel zu Beginn des jeweiligen Semesters vorgibt und sich direkt vor den Prüfungen Auszeiten von in der Regel drei Wochen nimmt, die er entsprechend vor- oder nacharbeitet, um die vereinbarte Wochenarbeitszeit zu erfüllen  (Urteil vom 24.06.2013, S 22 R 5662/11).

In diesem Rechtsstreit war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum (ab Beginn des 26. Fachsemesters), für den nach einer Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge durch die Beklagte nacherhoben wurden, als sog. ordentlicher Studierender dem sog. Werkstudentenprivileg unterfiel und deswegen in seiner Beschäftigung bei der Klägerin versicherungsfrei in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und Arbeitslosenversicherung war.

Die Klage wurde abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass die nachgeforderten Beiträge durch die Beklagte zu Recht festgesetzt worden seien, da der Beigeladene in der streitigen Zeit nicht dem Werkstudentenprivileg unterfallen sei, weil er bei Würdigung des Gesamtbildes nicht als ordentlich Studierender im fraglichen Sinne erschienen sei.

2. Sofern keinerlei Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und auch keine Eingliederung in den Betrieb der Endkundin ersichtlich ist und der Auftragnehmer keinem Weisungsrecht unterliegt, stellt sich eine ausgeübte Tätigkeit nicht als abhängige Beschäftigung dar (Urteil vom 29.01.2013,  S 22 R 1260/10).

In diesem Rechtsstreit war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger die Tätigkeit bei der Beigeladenen in dem streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestand. Der Kläger war für die Beigeladene im streitigen Zeitraum als IT-Berater bei deren Kundin, der sog. Endkundin, im Rahmen eines bestimmten Projektes tätig.

Die Klage hatte Erfolg. Es wurde festgestellt, dass für die vom Kläger bei der Beigeladenen in dem streitigen Zeitraum ausgeübte Tätigkeit als IT-Berater keine Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestanden habe, da sich die ausgeübte Tätigkeit nach der gebotenen Gesamtschau als selbständige Tätigkeit darstelle.

3. Ein Baggerfahrer ohne eigenes Baggerfahrzeug kann Baggertätigkeiten als nicht abhängig Beschäftigter ausüben (Beschluss vom 07.07.2013, S 25 R 4135/11; Berufung anhängig beim LSG Baden-Württemberg, Az. L 11 R 2387/13).

Zwischen dem Kläger zu 1), einem Baggerführer mit Ausbildung zum Baumaschinenführer, der Klägerin zu 2), einem Unternehmen, welches die Ausführung von Erd-, Bagger- und Abbrucharbeiten zum Gegenstand hat, sowie der beklagten Rentenversicherung war der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers zu 1) in der Tätigkeit als Baggerführer für die Klägerin zu 2) streitig. Der Kläger zu 1) verfügte im Tätigkeitszeitraum für die Klägerin zu 2), der einen Monat dauerte, über kein eigenen Baggerfahrzeug. Im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV stellte die beklagte Rentenversicherung fest, dass der Kläger zu 1) wegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin zu 2) versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung sei.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Zwar stelle der Umstand, dass dem Kläger zu 1) ein Bagger als Arbeitsmittel für die Ausführung der vereinbarten Tätigkeit zur Verfügung gestellt worden sei, ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar. Die Zurverfügungstellung eines zwingend erforderlichen Arbeitsmittels verringere insbesondere das Unternehmensrisiko deutlich. Für die Klägerin zu 2) habe der Kläger zu 1) im Zeitraum 01.03.2010 bis 01.04.2010 jedoch ein eigenständiges Werk geliefert, nämlich den Abbruch eines Gebäudes bzw. Aushubarbeiten. Seine Aufgabe sei es damit nicht gewesen, auf den Baustellen jeweils anderen Handwerkern mit seinen Baggerarbeiten zu dienen, sondern er habe seinen Auftrag, der selbständig und unabhängig von anderen Werken auf der Baustelle zu verrichten gewesen sei, weisungsunabhängig erledigt. Das Unternehmensrisiko sei wegen des gestellten Baggers damit zwar geringer gewesen, als dies bei Vorhalten eines Fuhrparks an Baggern durch den Kläger zu 1) zu beurteilen wäre. Die Zurverfügungstellung eines Baggers schließe jedoch nicht zwingend eine selbständige Ausführung von Baggerarbeiten aus, wenn - wie vorliegend - sämtliche weitere Merkmale für eine selbständige Tätigkeit sprächen.

4. Gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI sind Personen versicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Dabei ist das im Wesentlichen für einen Auftraggeber Tätigsein dann anzunehmen, wenn die Einnahmen aus dieser Tätigkeit deutlich über 50 % des Gesamteinkommens ausmachen. Von deutlich über 50 % liegend kann jedenfalls dann gesprochen werden, wenn diese Einnahmen 75 % des Gesamteinkommens ausmachen (Urteil vom 26.04.2013, S 17 R 6285/11).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall erzielte die Klägerin neben dem Erlös aus eigenem Verkauf von Produkten einer GmbH von dieser auch Provisionszahlungen, welche 75 % des gesamten von der Klägerin erzielten Einkommens darstellten.

5. Eine über Jahre immer wieder auftretende Erkrankung in Schüben (hier: Colitis ulcerosa bei längeren und mehrwöchigen Rezidiven mit erheblichem, 8 bis 15maligem Stuhlgang) kann unter dem Gesichtspunkt „Verschlossenheit des Arbeitsmarkts“ ausnahmsweise auch bei ansonsten vollschichtigem Leistungsvermögen die Gewährung einer vollen Erwersbminderungsrente rechtfertigen, wenn für die Vergangenheit zumindest Ausfallzeiten von 8-12 Wochen belegt sind. Einer Begutachtung durch Stuhlanalyse etc. bedarf es bei Vorliegen aussagekräftiger ärztlicher Unterlagen dann nicht mehr.

Eine veränderte Medikation durch Verabreichung  eines immunsupressiven Medikaments (hier: TNS-Alphablocker), um ein früheres Ende eines Rezidivs (hier: Durchfallschub) zu bewirken,  kann als Mitwirkungspflicht dann nicht gefordert werden, wenn ein altersbedingt glaubhafter Kinderwunsch einer Klägerin (kinderlose 38jährige in fester Partnerschaft) besteht.  Die Behandlung eines entzündlich-rheumatischen Prozesses etwa mit dem Medikament Kortison ist dann eine ausreichende ambulante Behandlung. Denn die Nebenwirkungen solcher immunsupressiver Medikamente mit der Gefahr von Erbschäden sind bereits vor Eintritt einer angestrebten Schwangerschaft nicht zumutbar und wirken sich insbesondere im Falle einer Schwangerschaft im Mutterleib nachweislich negativ auf das werdende Leben aus. Die gesetzgeberischen Wertentscheidungen auf Basis des Art. 6 GG sowie das Selbstbestimmungsrecht, Nachwuchs zu bekommen, gehen dann einer Änderung der Medikation vor (Gerichtsbescheid vom 16.07.2012, S 13 R 4350/10; rechtskräftig)

6. Arbeitslosigkeit i.S. von § 237 SGB VI (Altersrente wegen Arbeitslosigkeit) wird regelmäßig durch die Meldung beim Arbeitsamt nachgewiesen. Fehlt eine Meldung, muss ein überzeugender Nachweis ernsthafter und ständiger Bemühungen um eine Arbeitsstelle geführt werden. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang die bloße Behauptung, die Stellenangebote in Zeitung und Internet gesichtet, jedoch keine geeigneten Stellen gefunden zu haben (Urteil vom 19.06.2013, S 2 R 6661/12).

Das Gericht hat die Klage des im September 1951 geborenen Klägers auf Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab Vollendung des 60. Lebensjahres, also ab Oktober 2011, abgewiesen, weil der Kläger die gesetzliche Voraussetzung, nach Vollendung von 58 Lebensjahren und sechs Monaten 52 Wochen arbeitslos gewesen zu seien, nicht erfüllt habe. Der Kläger hatte sich nach Beendigung seines Arbeitslosengeld II-Bezuges nicht mehr arbeitslos gemeldet und nur zwei telefonische und keinerlei schriftliche Bewerbungen unternommen.

7.  Hotelmanager sind dann nicht selbstständig tätig, sondern abhängig beschäftigt, wenn sie nach dem Gesamtbild in die Arbeitsorganisation des Hotels eingegliedert und allein fremdbestimmt für die Zwecke des Hotelbesitzers tätig waren und ihre Tätigkeiten nicht der unternehmerischen Betätigung im eigenen Betrieb dienten (Urteil vom 05.06.2013,  S 4 R 6819/12).

Die klagende Grundstücksverwaltungsgesellschaft betreibt ein Hotel, welches sie durch die zwei Beigeladenen  laut Vertrag als freie Mitarbeiterinnen managen ließ. Auf Grund einer Betriebsprüfung forderte der beklagte Rentenversicherungsträger wegen des Vorliegens sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für die beiden Hotelmanagerinnen in Höhe von über 90.000,00 € nach. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

Nach Überzeugung des Gerichts waren die Beigeladenen als Arbeitnehmerinnen anzusehen, weil sie nach dem Gesamtbild in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert waren, da sie bezüglich des Tätigkeitsortes, der Arbeitszeit und im Wesentlichen auch bei wichtigen Entscheidungen den Weisungen der Klägerin unterlagen, im Namen der Klägerin auftraten und kein nennenswertes unternehmerisches Risiko trugen.

VII. Sozialhilfe

1. Auf die sog. "gemischte Kette", bei welcher auf eine Zeit des ambulant betreuten Wohnens ein stationärer Aufenthalt unmittelbar folgt, welchem sich wiederum ein ambulant betreutes Wohnen anschließt, ist der Gedanke des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nicht übertragbar (Urteil vom 08.05.2013, S 20 SO 2891/11)

Gegenstand des Verfahrens war ein Kostenerstattungsanspruch zwischen Sozialhilfeträgern. Der Kläger hatte als für den letzten Wohnort des P. zuständiger Sozialhilfeträger seit 2008 im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens die Kosten für das von P. in E. (=Landkreis des Beklagten) durchgeführte Arbeits- und Beschäftigungsprojekt übernommen. Am 31.08.2009 wurde das ambulant betreute Wohnen vorläufig beendet, vom 15.09.2009 bis 07.01.2010 war P. in stationärer Behandlung,  am 07.01.2010 kehrte er in das ambulant betreute Wohnen in E. zurück.

Das Gericht hat den Beklagten wegen des dortigen letzten gewöhnlichen Aufenthalts des P. zur Kostenerstattung für die Zeit von September bis Dezember 2009 verurteilt. Durch die 3 Monate andauernde Unterbrechung des ambulant betreuten Wohnens sei eine neue Zuständigkeitsbestimmung notwendig geworden. Eine Zuständigkeitsfortschreibung zu Lasten der Klägerin für den Aufenthalt in weiteren Einrichtungen in analoger Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII komme nicht in Betracht.

2. Mitgliedsbeiträge für eine Sterbeversicherung stellen keine vom Sozialhilfeträger zu übernehmenden Kosten im Rahmen des § 42 S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 SGB XII dar, soweit damit im Todesfall lediglich die Kosten für eine von einem muslimischen Seelsorger durchzuführende Totenmesse sowie die Kosten für die Überführung und den Transport mit einer Begleitpersonen in die Türkei gedeckt werden sollen (Gerichtsbescheid vom 14.05.2013, S 20 SO 7003/12)

Der Kläger erhält Leistungen nach dem SGB XII. Am 23.02.2012 beantragte er die Übernahme des jährlichen Mitgliedsbeitrags des Zentrums für soziale Unterstützung e.V. in Höhe von 50 Euro, was vom Beklagten abgelehnt wurde.

Das Gericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen, weil die Mitgliedsbeiträge keine Beiträge für eine Sterbeversicherung auf den Todesfall im Sinne des § 42 S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 SGB XI seien. Nach Aussage des Vereins würden die Kosten der tatsächlichen Bestattung, also das eigentliche Ziel einer Sterbeversicherung, gerade nicht übernommen. Vielmehr würden die Mitgliedsbeiträge dazu genutzt, die Kosten für eine von einem muslimischen Seelsorger durchzuführende Totenmesse sowie die Kosten für die Überführung und den Transport mit einer Begleitperson in die Türkei zu decken. Eine solche Versicherung sei nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch nicht mehr von § 42 S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 SGB XII gedeckt. Normzweck der Vorschrift sei, dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung zu tragen und ihm die entsprechenden Vorsorgemöglichkeiten zu gewähren. Soweit eine Versicherung ausschließlich andere Kosten finanzieren solle, die nicht unmittelbar und final der Bestattung dienten, ist eine Leistungspflicht des Beklagten ausgeschlossen. Schließlich sei auch eine Korrektur über den § 73 SGB XII vorliegend nicht möglich, da es an einer ungeregelten Lebenslage fehle.

3. Eine Fibromyalgie-Erkrankung begründet im Normalfall (d.h. ohne Hinzutreten besonderer Umstände) keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (Urteil vom 30.10.2012, S 16 SO 7017/10)

Der 1958 geborene Kläger, der Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, erhält ergänzend Grundsicherungsleistungen der Sozialhilfe. Ab August 2010 wurde der zuvor gewährte Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung für lipidsenkende Kost nicht mehr und auch der neu beantragte Mehrbedarf für cholesterinarme Kost nicht bewilligt.

Die auf Gewährung des Mehrbedarfs gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Bezüglich der bei dem Kläger vorliegenden erhöhten Blutfettwerte (Hyperlipidämie), Arteriosklerose und des Bluthochdrucks hat das Gericht darauf verwiesen, dass nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, welche im Regelfall der gerichtlichen Entscheidung zugrundezulegen seien, eine diätetische Vollkost angezeigt sei, welche keine Mehrkosten verursache. Auch soweit der Kläger an Rheuma, Fibromyalgie und Pankreatitis leidet, hat das Gericht keine Anhaltspunkte für  einen dadurch bedingten höheren Kostenaufwand für Ernährung gesehen.

4. Beantragt ein Suchtkranker nach Abschluss der stationären Rehabilitation bei seiner Krankenkasse eine anschließende Adaptionsbehandlung und leitet die Krankenkasse den Antrag innerhalb von 2 Wochen an den Sozialhilfeträger weiter, darf sich der Sozialhilfeträger nicht auf die Prüfung der Vorschriften der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe beschränken. Er muss als sog. zweitangegangener Träger vielmehr den Anspruch des Suchtkranken anhand aller Rechtsgrundlagen, die in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger überhaupt vorgesehen sind, prüfen und die beantragte Adaptionsmaßnahme bei Vorliegen der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eines Leistungsgesetzes gewähren  (Beschluss vom 27.05.2013, S 16 SO 1343/13 ER).

Der 1989 geborene, seit Schulabschluss arbeitslose Antragsteller leidet an einer Suchterkrankung. Im Anschluss an eine stationäre Entgiftung im September/Oktober 2012 gewährte die Krankenkasse eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik Four Steps.

Dem Antrag des Antragstellers vom 16.01.2013 auf Verlängerung der Reha stimmte die Krankenkasse zu, den gleichzeitigen Antrag auf anschließende Weiterbehandlung von 16 Wochen in der Adaptionseinrichtung Four Steps leitete sie am 21.01.2013 an den Antragsgegner als Sozialhilfeträger weiter, wo der Antragsteller am 01.02.2013 förmlich Sozialhilfe beantragte. Der Antragsgegner lehnte den Antrag ab, weil nach Krankenversicherungsrecht kein Anspruch bestehe und die Maßnahme auch nicht zum Leistungskatalog an Eingliederungsleistungen gehöre.

Das Gericht hat den Antragsgegner  zur vorläufigen Kostenübernahme verpflichtet, weil nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung das Vorliegen der Voraussetzungen der fraglichen Anspruchsgrundlagen nicht ausgeschlossen werden könne und zudem auch eine Kostenübernahme als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten in Betracht komme.

 

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